31. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr C – Lk 19, 1 – 10
Die Geschichte von dem Oberzöllner Zachäus, wie er da auf seinem Maulbeerfeigenbaum sitzt und auf das Vorbeikommen Jesu wartet, ist eine sehr prägnante und uns darum wohlvertraute Erzählung des Lukas. Wohl keine Erstkommunionvorbereitung, die auf ihre Erwähnung verzichtet, schon weil – wie unsere Erstkommunionkinder in der Regel ja auch – dieser Zachäus klein von Wuchs war.
Aber sie hat auch eine ganz eigenartige Dimension, denn wenn wir uns vergegenwärtigen, dass da ja ein für Jesus Wildfremder auf dem Baum hockt, um ihn zu sehen, dann verwundert diese Unerbittlichkeit des Herrn, der „Denn ich muss heute in Deinem Haus zu Gast sein“ mit der Aufforderung verknüpft, rasch vom Baum herunterzusteigen. Was mag ihn zwingen zu diesem „ich muss“. Der Herr spricht nicht von Einladung, Wünschen oder Bitten, wie man dies vielleicht erwarten würde, sondern von Zwang. Was ist das für ein Zwang? Wer zwingt? Ist das ein Vorbild für unsere „einladende Kirche“, die den Glauben vorschlägt und nicht auferlegt? Worin liegt und woher kommt diese Betonung der Notwendigkeit des Besuchs Jesu im Hause des Zöllners? Ich glaube, weil es Lukas vor allem auf die Betonung dieser einmaligen Gelegenheit ankommt, auf den „kairos“. Hier und jetzt, hier geht der Herr vorbei – die weitere Erzählung zeigt ja, welche Folge die Begegnung des Zollpächters mit dem Herrn hat – da muss die Gelegenheit ergriffen werden, da stellt sich blitzartig die das ganze Leben beeinflussende und die notwendende existentielle Frage – nimmst Du heute den Herrn auf, Zachäus? Komm rasch, es muss sein. Von dieser Bedeutung her erschließt sich dann die Betonung dieses Moments: es gibt einen Zwang, ein „Muss“, denn es ist die liebende Zuwendung des allmächtigen Vaters in seinem Sohn Jesus, die sich jetzt, in diesem Moment so dicht wie nie zuvor und nie mehr wieder, zum Sünder, hier stellvertretend für uns alle, zu Zachäus wendet.
Und jetzt erkennen wir auch den Unterschied zwischen uns, die wir uns als Kirche an unsere Zeitgenossen wenden, denen wir den Glauben vorschlagen, behutsam und auf eine Weise, die anspricht und einlädt, und der Gotteserfahrung selbst, die dann das Werk des Heiligen Geistes selber ist, in Zeiten der Empfänglichkeit und des Rufes Gottes, des Wehen des Geistes, wann er will, die dann zur Entscheidung zwingt und die Notwendigkeit betont – jetzt ist die Stunde, aber sie vollzieht sich in jedem anders und ohne, dass wir sie als Brüder und Schwestern festzulegen und zu entscheiden hätten. Unter dem Maulbeerfeigenbaum des Zachäus, da ist der Herr der Anruf Gottes selbst, vor dem es kein „vielleicht morgen oder gelegentlich“ gibt, wo es sein „muss“!
Ich wünsche uns allen, dass wir unsere Begegnungen untereinander als Einladungen und Vorschläge gestalten und erleben dürfen, dass uns der Anruf Gottes erreicht und uns zum Leben ruft, wann immer es ihm gefällt – und dass wir das eine vom andern unterscheiden können, nicht nur in der kommenden Woche.
Ihre Katharina Nowak
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